Home » Insight » Ein Einblick in den Zustand der südafrikanischen Bergbauindustrie
Vor kurzem hatten wir die Gelegenheit, die Mponeng-Mine von Harmony Gold in der Nähe von Carletonville, 70km westlich von Johannesburg, zu besichtigen. Mponeng ist die tiefste Mine der Welt und wir konnten einen ‘Ausflug’ zum tiefsten Punkt machen, den man als Mensch betreten kann (3’615m unter der Erdoberfläche). Da ich in den letzten drei Jahrzehnten eng mit dem südafrikanischen Bergbau verbunden war, zeigte dieser Besuch wieder, wie die südafrikanischen Bergleute – größtenteils – erfolgreich die zunehmenden technischen Herausforderungen bewältigt haben. Während ein schwächelnder Rand und ein steigender Dollar-Goldpreis die Auswirkungen sinkender Erzgehalte abgemildert haben, resultieren die größten technischen Herausforderungen aus dem immer tieferen Abbau, der eine umfangreiche Infrastruktur für den Transport von Menschen, Material und Erz erfordert.
Im Fall von Mponeng umfasst dies mehrere Schachtsysteme: zwei Tagesschächte (von der Erdoberfläche abwärts; siehe Abbildung unten), drei Blindschächte (zwischen zwei Sohlen unter Tage) und zwei vierfache geneigte Strecken/Tunnel. Diese bestehen aus einem separaten Tunnel für einen Sessellift, einer Einschienenhängebahn für Material, einer Förderanlage für Erz sowie einer Abwetterstrecke (Rückführung verbrauchter Luft/Wetter).
Querschnitt der MPoneng Untertageinfrastruktur und der benachbarten TauTona Mine (Harmony Gold)
Quelle: Harmony Gold, ERI AG
11-Stunden-Schichten werden gefahren, um die langen Fahrzeiten zu den Arbeitsplätzen auszugleichen. Zwei Teams bauen in der Regel drei Strebe (Abbaustellen) ab, um zusätzliche Flexibilität zu gewinnen, wenn ein Streb aus technischen Gründen nicht besetzt werden kann.
Eine der grössten Gefahren im ultratiefen Bergbau ist die durch den Bergbau induzierte Seismizität: mit zunehmender Abbautiefe steigt der Druck im Gestein, und aufgrund der harten und spröden Eigenschaften des Erzes erhöht sich mit dem Druckanstieg die Wahrscheinlichkeit von seismischen Ereignissen. Letztere, sowie gravitationsbedingte Einstürze des Hangenden (Gesteinsschichten über dem Erzkörper), waren bisher für 50 % der Todesopfer auf Mponeng verantwortlich. Um seismische Ereignisse mit tödlichen Folgen zu verhindern, wird das Gestein vor der Ortsbrust (die freiliegende senkrechte Fläche des Erzkörpers) im Streb entspannt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Spannung im Gestein zu lösen. Auf Mponeng wird dies erreicht, indem 2,4 m lange Löcher im Abstand von 3 m in der Mitte der Ortsbrust gebohrt werden, auf halbem Weg zwischen dem Hangenden und dem Liegenden (Gesteinsschichten unter dem Erzkörper). Diese Löcher werden dann mit Sprengstoff gefüllt und gesprengt. Die Wirksamkeit dieses Verfahrens hängt von der Qualität der Ausführung ab; daher wird viel Zeit auf die Schulung des Personals verwendet.
Um Einstürze des Hangenden im Streb zu vermeiden, wird der “Alte Mann” (der ausgebeutete Teil des Erzkörpers) bis zu 4m von der Ortsbrust entfernt mit Versatz gefüllt/versetzt. Dieser Versatz besteht aus den Überresten der Aufbereitung und wird mit einem Bindemittel (üblicherweise Zement) vermischt.
Das folgende Bild zeigt einen typischen Streb auf Mponeng in dem das Erz abgebaut wird. Links ist die Ortsbrust (Erzkörper) zu sehen, rechts der Versatz. In dem Zwischenraum, der zusätzlich mit Holzstempeln, Stahlankern und Maschendraht ausgebaut/abgestützt wird, verrichten die Bergleute ihre Arbeit.
Quelle: Harmony Gold
All dies, die grosse Infrastruktur, der aufwendige Ausbau, und die Anforderung an die Bewetterung (Ventilation) führen zu relativ hohen Abbaukosten. Dennoch prognostiziert Mponeng für 2023 All-In Sustaining Costs (AISC, die Kosten für die Aufrechterhaltung der Goldproduktion auf dem derzeitigen Niveau) von 1’400 – 1’500 USD je Unze. Auch bei einem Reservengehalt von 8,76g Gold pro Tonne Erz ist dies in Anbetracht der Größe der Infrastruktur und der Tatsache, dass der Abbau in einer Tiefe von 3’170 – 3’740 m erfolgt, ein beachtliches Ergebnis.
Doch während die südafrikanischen Bergleute die technischen Herausforderungen mit Bravour meistern, sehen sie sich mit grösseren Herausforderung konfrontiert, die eine noch größere Bedrohung für die Zufunftsfähigkeit der Branche darstellt. Der desolate Zustand von Eskom (Südafrikas Stromversorger) und die daraus resultierenden Stromausfälle sind die Hauptgründe dafür. Im Allgemeinen sind Bergleute von Stromabschaltungen ausgenommen, müssen aber mit Kapazitätsbeschränkungen zurechtkommen. Das bedeutet, dass sie ihren Stromverbrauch in regelmäßigen Abständen drosseln müssen, indem sie zum Beispiel übertägige Anlagen, wie Konzentratoren, abschalten. Die Gesamtauswirkungen auf die Produktion von Goldminen waren bisher begrenzt, haben sich aber auf die Effizienz und damit auf die Kosten ausgewirkt.
Platinminen (PGM) hingegen haben nach Angaben des World Platinum Investment Council im ersten Quartal einen Produktionsrückgang von 14 % verzeichnet, wovon etwa die Hälfte auf Kapazitätsbeschränkungen zurückzuführen war. Obwohl Eskom für diesen Winter Beschränkungen der Stufe 8 angekündigt hat, was bedeutet, dass die Verbraucher 12 Stunden pro Tag ohne Strom auskommen müssen, ist dies bisher nicht eingetreten. Vielmehr scheint sich die Situation verbessert zu haben, da die Regierung gegen die kriminellen Syndikate vorgeht, die Eskom in den letzten Jahren ausgeplündert haben. So oder so werden Strombeschränkungen in naher Zukunft nicht vollständig beseitigt werden.
Und als ob dies nicht schon genug wäre, wird die Situation durch den organisierten Diebstahl von Kupferkabeln noch verschärft. Wie Sibanye-Stillwater (ein südafrikanischer/US-amerikanischer Gold- und Platinproduzent) in den Ergebnissen des ersten Quartals mitteilte, verlor der PGM-Metallproduzent 5.200 Unzen 4E-PGMs aufgrund von Kabeldiebstahl, verglichen mit Verlusten durch Kapazitätsbeschränkungen von 5.120 Unzen.
Darüber hinaus leidet Transnet, das staatliche Unternehmen, dem die Eisenbahn-, Hafen- und Pipeline-Infrastruktur des Landes gehören, unter einem Wartungsrückstand und Mangel an Lokomotiven. Infolgedessen sind zum Beispiel die Kohleexporte aus Richards Bay im Vergleich zum Vorjahr um 20 % zurückgegangen.
Auch das Bergbaulizenzkataster ist seit langem unübersichtlich, und junge Berg- und Explorationsunternehmen sind mit einem enormen Rückstau an Anträgen auf Explorations- und Abbaugenehmigungen konfrontiert. Nachdem das Department of Mineral Resources and Energy (DMRE) zunächst auf einer eigenen, maßgeschneiderten Lösung bestanden hatte, hat es sich schließlich bereit erklärt, ein neues System öffentlich auszuschreiben. Es sieht so aus, als würde im Juli ein neuer Anbieter ernannt werden, aber es wird einige Zeit dauern, bis der Rückstand abgearbeitet ist.
Schließlich gibt es noch den nicht enden wollenden Streit zwischen der Regierung und den Bergbauunternehmen über die südafrikanische Bergbaugesetzgebung. Während die Regierung für höhere BEE[1]-Beteiligungen eintritt, kämpft die Branche für Rechtssicherheit und Besitzstandswahrung. Kürzlich kam der Oberste Gerichtshof den Bergleuten zu Hilfe, indem er entschied, dass die Bergbau-Charta von 2018 ein politisches Instrument ist und die Regierung nicht dazu berechtigt, Gesetze zu erlassen. Noch wichtiger ist, dass das Gericht den Grundsatz „once empowered, always empowered“ bestätigte. Dies bedeutet, dass wenn bestehende BEE (Black Economic Empowerment)-Ziele einmal erfüllt wurden, diese nicht nachträglich erhöht werden können.
Sollten Investoren daher den Sektor gänzlich meiden? Unserer Ansicht nach nicht. Zum einen weisen die meisten großen Unternehmen eine hervorragende ESG-Bilanz auf. Harmony Gold zum Beispiel wird bis 2026 in drei Phasen insgesamt 223 MW Solarenergie installieren. Zwar wird weiterhin eine Grundlast von Eskom benötigt, doch wird die Solarenergie die Auswirkungen von Kapazitätsbeschränkungen auf die Produktion und die Effizienz erheblich verringern. Ähnliche Strategien werden unter anderem von Gold Fields (40 MW in South Deep, eine Goldmine) und Anglo American Platinum (100 MW bis 2024) verfolgt. Abgesehen von den Vorteilen für die Umwelt schaffen diese Solarprojekte auch zusätzliche Arbeitsplätze in einem Land, dessen Arbeitslosenquote (> 30 %) zu den höchsten der Welt zählt.
Im Zusammenhang mit ESG ist auch erwähnenswert, dass 30 % der Untertagebelegschaft bei Mponeng Frauen sind, die hauptsächlich in der Logistik beschäftigt sind.
Was südafrikanische Bergbauunternehmen den Anlegern durch ihre relativ hohe Kostenbasis aber vor allem bieten, ist ‘Leverage’ (Hebelwirkung) auf den Goldpreis und einen schwächer werdenden Rand (ZAR). Wie aus der nachstehenden Grafik hervorgeht, stieg der Rand-Goldpreis im Jahr 2022 um 8,5 % gegenüber einem stagnierenden Dollarpreis. Und in diesem Jahr stieg der Rand-Goldpreis um 15% im Vergleich zu einem 8% stärkeren USD-Goldpreis.
Jährliche Veränderungen des ZAR Goldpreis gegen den US-Dollar Gold preis
Quelle: S&P Global, ERI AG
Obwohl der Inflationsdruck in Südafrika hoch ist (7 % im Jahr 2022), sind die operativen Cash-Margen der Goldminenbetreiber immer noch um 64 % von 275 USD je Unze im Jahr 2022 auf 451 USD je Unze im Jahr 2023 gestiegen.
Wie wir gezeigt haben, haben die Bergbauunternehmen die technischen Betriebsrisiken gut im Griff. Auch die Sicherheitsstandards und die Effizienz haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Das operationelle Risiko ist bei Abbautiefen von über 3’000m allerdings erhöht. Die große Unbekannte bleibt das legislative Risiko, aber auch hier wurde in den letzten Jahren mehr geredet und weniger gehandelt.
In einer Welt, in der geopolitische und operationelle Risiken für Bergbau und Exploration zunehmen relativiert sich das Risiko für die südafrikanische Bergbauindustrie. Etablierte Produzenten wie Harmony Gold könnten deshalb trotz der herausfordernden politischen Entwicklung in Südafrika erneut in den Fokus von Investoren gelangen.
ERI’s Christian Siebert am tiefsten Punkt der Mponeng Mine
Quelle: ERI AG