Home » Insight » Einblick in Bergbau und Nachhaltigkeit
Während sich die Staats- und Regierungschefs der Welt in Ägypten trafen, um über die durch die globale Erwärmung verursachten «Loss and Damage» zu diskutieren, ging die Vereinten Nationen davon aus, dass die Weltbevölkerung am 15. November 2022 die Marke von 8 Milliarden Menschen überschritten hat. Das sind 650 Millionen Menschen mehr, seit die Staats- und Regierungschefs 2015 zusammenkamen, um die Ziele des Pariser Abkommens festzulegen. 650 Millionen Menschen mehr, die Nahrung, Unterkunft, Energie und Transport benötigen. Fügt man diesem Mix die angestrebte Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und eine Energiewende durch den Ausbau der erneuerbaren Energien hinzu, die sich ohne riesige Mengen an Kupfer, Lithium, Nickel und anderen «Critical Raw Materials» nicht durchführen lässt, befinden wir uns schnell bei der Frage wo diese Mengen an natürlichen Rohstoffen eigentlich herkommen sollen.
Aufgrund der langen Lieferkette zwischen den Rohstoffen aus dem Bergbau und dem Endprodukt als Bestandteil eines elektrischen Geräts oder als Teil der Batterie eines Elektroautos, ist die Verbindung zwischen einer Windturbine und einer Kupfermine nicht immer klar. Wood Mckenzie berichtet, dass 5 Tonnen Kupfer benötigt werden für 1 MW Windenergie (bzw. 15 Tonnen, wenn die Turbine offshore steht). Wenn man bedenkt, dass die heute gebauten Turbinen so groß wie der Eiffelturm sind und eine Leistung von 9 MW haben, ist allein der Kupferverbrauch atemberaubend.
Es besteht kein Zweifel daran, dass der Bergbau tonnenweise Erdaushub für jedes Gramm des gesuchten Metalls erfordert, aber eine Tatsache bleibt: Ohne den Bergbau wäre die Welt, in der wir heute leben, nicht denkbar. Obwohl der Bergbau von manchen als „Sündenbock“ gemieden wird, ist er ein wesentlicher Bestandteil des Übergangs zu einer batterie- und windgetriebenen, grüneren Zukunft. Da Rohstoffe unverzichtbar sind, ist die Bergbaubranche nicht immun gegen ihre Verantwortung für die Nachhaltigkeit und die Erwartungen ihrer Interessengruppen.
Was ist Nachhaltigkeit überhaupt?
Die in der Literatur am häufigsten verwendete Definition ist die des Berichts der Vereinten Nationen von 1987, „Unsere gemeinsame Zukunft“, besser bekannt als Brundtland-Bericht. Darin wird nachhaltige Entwicklung definiert als „…eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“
Genau hier liegt das Problem. Nachhaltigkeit ist ein so übergreifender Begriff, dass mancheiner es zu eng definiert und es z.B. mit Emissionsreduzierung gleichsetzt. Andere loben die Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit des Begriffs und behaupten, es handele sich um ein komplexes Thema, das sich nicht kurz und bündig zusammenfassen lasse, da es in unterschiedlichen Kontexten verwendet wird. Daraus ergibt sich folgendes Problem: da es keine eindeutige Definition gibt, werden diejenigen, die den Begriff verwenden, diejenige Definition wählen, die am besten zu ihrer beabsichtigten Zielsetzung passt – leicht entsteht dann „Greenwashing“ als Deckmantel für nicht nachhaltige Praktiken. Das Ergebnis ist, dass sich viele Anleger für ein negatives Screening entscheiden, was zwar einfacher ist, aber von Wissenschaftlern als die am wenigsten vorteilhafte Methode angesehen wird.
Eine persönlich bevorzugte Nachhaltigkeitsdefinition, wurde von Han Onn und Woodley in ihrer Studie aus dem Jahr 2014 vorgeschlagen „A discourse analysis on how the sustainability agenda is defined within the mining industry“. Die Definition die im Zusammenhang mit dem Bergbau verwendet wird, lässt sich in drei Gruppen unterteilen. Die erste ist die fortwährende Nachhaltigkeit, die sich im Bergbaukontext auf den Nutzen für die Aktionäre und den Fortbestand des Unternehmens selbst konzentriert. Die zweite ist die übertragbare Nachhaltigkeit, die sich mehr auf die Interessengruppen außerhalb des Unternehmens bezieht (Umwelt, Soziales, Communities), und die dritte geht noch weiter und bezieht sich auf das breitere generationsübergreifende Umfeld und wird als übergreifende Nachhaltigkeit bezeichnet.
Es lässt sich darüber streiten, welche der zahlreichen Stakeholder-spezifischen Interpretationen von Nachhaltigkeit im Bergbau die beste ist, da jede ihre eigenen Vorzüge hat. Aus diesem Grund haben wir uns bei unserer Analyse für einen stakeholderinklusiven Ansatz entschieden, der darauf abzielt, die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte mit den Augen der unterschiedlichen Stakeholder zu betrachten, mit dem Fokus auf Wirtschaft, Umwelt, Soziales und Governance (engl.: EESG – economic, environment, social, goverance).
Warum nicht bestehende Codes verwenden?
Trotz einer großen Anzahl von Richtlinien und empfohlenen Standards scheint es an klaren und umsetzbaren Ansätzen zu mangeln. Das ist verständlich, denn angesichts der geografischen Ausdehnung des Bergbaus über mehrere Kulturen und Subkulturen hinweg sowie der oft komplexen Geologie und Geografie mit variablen Erzkörpern, die mit verschiedenen Techniken abgebaut werden, ist es schwierig, eine universelle Reihe klarer und spezifischer Regeln aufzustellen.
Nimmt man noch die Komplexität der Nachhaltigkeitsdefinitionen hinzu, so wird die Bestimmung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen noch schwieriger. Dies spiegelt sich in den unterschiedlichen und manchmal widersprüchlichen Ergebnissen der Rating-Agenturen wider (siehe Florian Berg et. al., 01.2022, Aggregate Confusion: The Divergence of ESG Ratings”). Einige messen die Mitarbeiterzufriedenheit beispielsweise anhand der Mitarbeiterfluktuation. Andere messen sie anhand der Anzahl der mitarbeiterbezogenen Gerichtsverfahren, die gegen das Unternehmen angestrengt wurden. Die Messungen sind unterschiedlich, aber beide sind von Bedeutung. Wer hat also recht? Unserer Meinung sind beide Aspekte relevant, auch wenn die Unternehmensbewertungen manchmal diametral entgegengesetzt sein können.
Wie können Bergbau und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen?
Oft müssen Bergbauunternehmen die Hinterlassenschaften von aufsehenerregenden Umweltvorfällen aus der Verhangenheit (z.B. Grundwasserverseuchungen aus den 1990er Jahren) wiedergutmachen, für die die aktuellen Management Teams nicht verantwortlich sind. «Verantwortungslose Umweltverschmutzung» ist ein Bild, das viele Investoren auch heute noch von der Bergbauindustrie haben. Doch 30 Jahre später hat sich die Branche weiterentwickelt und erkannt, dass die ESG-Einhaltung von entscheidender Bedeutung für ihr Fortbestehen ist, wenn die Unternehmen in Zukunft weitere Standorte erschließen wollen. Streitigkeiten, Streiks, Umweltsanierungen durch Verschütten oder Versickern von Chemikalien können sich langfristig als teurer erweisen als ihre Vermeidung oder sogar zu der Nichtvergabe einer Explorations- oder Abbaulizenz führen.
Akademische Grundlage
Unsere Nachhaltigkeitsbewertung des Unternehmens geht auf eine detaillierte MBA-Studie zurück, die sich speziell mit der Integration von Nachhaltigkeit in Bergbauinvestitionen befasst. In der ersten Stufe der Nachhaltigkeitsanalyse wird ein „fatal flaw“-Filter angewandt, d. h. Faktoren, die als inakzeptabel angesehen werden (z.B. Kinderarbeit). Im zweiten Schritt der Nachhaltigkeitsanalyse werden die Unternehmen anhand von vier Linsen untersucht. Wir verwenden das Wort „Linse“, weil wir uns vorstellen, bei der Bewertung durch die Augen der einzelnen Interessengruppen zu sehen. Jede Linse (Wirtschaft, Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) wird gleich gewichtet, da kein Bereich der Nachhaltigkeit zum Nachteil eines anderen bevorzugt werden soll. Ingesamt 90 Aspekte werden über alle vier Linsen analysiert, wobei einzelne Fragen unterschiedlich gewichtet werden. Diese 90, oft sehr technischen Aspekte, werden mit Hilfe des technischen Fachwissens des Analystenteams auf die jeweilige Fallstudie («Investment Case») angewandt.
Die Integration lässt sich am besten anhand von Beispielen veranschaulichen, z. B. einer elektrifizierten Lkw-Flotte auf einer Mine in Schweden, Solarpaneelen auf einem Absatzteich in Chile oder der DNA-Analyse lokaler Flüsse, um die biologische Vielfalt von Anfang an zuerkennen und sie während der gesamten Lebensdauer der Mine zu erhalten. Ein wichtiger Aspekt bei der Analyse ist das Engagement mit dem Firmenmanagement, um der Firma die Resultate unserer Arbeit zu kommunizieren und eine Stellungnahme zu erlauben.
Nachhaltigkeit dient langfristig allen Beteiligten, und wir hoffen, dass unsere Arbeit dazu beiträgt, ein Bewusstsein für die gemeinsame Wertschöpfung zu schaffen. Es gibt grosse Herausforderungen, aber wenn wir die Bergbauindustrie wegen ihrer Vergangenheit meiden, anstatt mit ihr zusammenzuarbeiten, um eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen, werden wir nicht mit der notwendigen Umsetzung eines sinnvollen Wandels vorankommen.