„Goldminenfirmen verdienen auch bei einem stagnierenden Goldpreis viel Geld“

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Herr Lequime, eigentlich müsste man, angesichts der vielen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, eine Flucht in Gold erwarten. Warum ist das nicht so?

Georges Lequime: Der wichtigste Grund ist im Beginn des Zinserhöhungszyklus zu sehen. Zwar floss mit Beginn der Ukraine spekulatives Geld in das Edelmetall, aber das war nur kurzfristig. Entscheidend sind die Zinsen. Wir haben festgestellt, dass es eine sehr enge Korrelation zwischen dem Goldpreis und der Rendite der zehnjährigen inflationsindexierten US-Anleihe, den sogenannten TIPS, gibt. Während die normalen zehnjährige Treasuries auch aktuell noch eine Realrendite von minus sechs Prozent aufweisen, rentieren TIPS inzwischen bei 0,6 bis 0,7 Prozent. Im März waren es noch Minus 0,7 Prozent. Das ist eine dramatische Veränderung und entsprechend ist auch der Goldpreis gefallen.

Wie sieht ausgehend davon Ihr Ausblick für Gold aus?

Lequime: Dass sich die Rendite zehnjähriger TIPS im positiven Terrain befindet, bedeutet, dass die Märkte von einem Rückgang bei der Inflationsrate ausgehen. Gleichzeitig besteht das Risiko einer Rezession. Die für den Goldpreis entscheidende Frage ist deshalb, wie die Notenbanken darauf reagieren werden. Der Preis für das Edelmetall hängt kurz- bis mittelfristig vollständig von der Reaktion der Geldpolitik in den kommenden Monaten ab.

Welche Szenarien sind denkbar?

Lequime: Lassen Sie mich dazu in die Vergangenheit blicken. Anfang der 1970er Jahre hatten wir die Ölkrise und die Inflation war sehr hoch. Die Zinsen wurden zwar angehoben, aber die US-Notenbank Fed war hinter der Kurve. Damit hatten wir negative reale Renditen und Gold entwickelte sich bis 1980 sehr gut. Doch dann kam es zu einem erneuten Inflationsschub, auf den die Fed, damals unter Paul Volcker, sehr aggressiv reagierte und die Zinsen bis in den zweistelligen Bereich anhob. Die reale Rendite kletterte in der Folge auf zwei bis drei Prozent. Da Gold keine laufenden Einnahmen bietet, war der Besitz von Gold unattraktiv und der Preis fiel.

Sind wir Ihrer Ansicht heute eher in 1974 oder 1980?

Lequime: Wir haben zum einen das Problem einer beispiellos hohen Verschuldung. Das heißt, die Notenbanken können die Zinsen realistischerweise nicht wie 1980 beliebig stark anheben, ohne an irgendeinem Punkt eine systemische Krise zu riskieren. Dazu kommt eine mögliche Rezession. Dann würde die Nachfrage nachlassen und die Inflationsraten würden zurückkommen. Wie es wirklich weitergeht, wird sich aber erst in den kommenden drei bis vier Monaten zeigen. Zwar ist bei Gold immer dann ein guter Einstiegszeitpunkt, wenn die Risiken hoch sind, dennoch ist eine gewisse Vorsicht angebracht.

Wie schätzen Sie in diesem Umfeld die Aktien der Goldminenbetreiber ein?

Lequime: Wir wissen zwar nicht, wohin sich der Goldpreis kurz- bis mittelfristig entwickelt, aber was wir sehr genau wissen, ist, wie hoch die durchschnittlichen Produktionskosten für eine Unze Gold sind und wo der Goldpreis aktuell steht. Tatsächlich stellen wir fest, dass die Gesamtkosten für eine Unze Gold trotz hoher Inflation durchschnittlich derzeit bei 1.300 bis 1.400 Dollar liegen. Es gibt also Unternehmen, die beim aktuellen Goldpreis von 1.700 bis 1.800 Dollar pro Unze noch gutes Geld verdienen. Gleichzeitig sind die Bilanzen sehr gesund und die Minengesellschaften investieren, anders als in vergangenen Zyklen, in neue aussichtsreiche Projekte.

Wie sehen denn die Bewertungen aus?

Lequime: Bei Goldminenfirmen ist das Verhältnis zwischen Kurs und operativem Cashflow unserer Ansicht nach am aussagekräftigsten. In der Vergangenheit lag diese Relation zwischen dem 15- und 20fachen. Aktuell liegt die Kennzahl bei dem Sechs- bis Siebenfachen, in manchen Fällen ist es sogar nur noch das Zwei- bis Dreifache, um die der Kurs den Cashflow übersteigt. Die Dividendenrendite ist zwar nicht so entscheidend, aber die größeren Produzenten zahlen hier auch zwei bis drei Prozent. Vor allem aber ist wichtig, dass der Goldpreis vom aktuellen Niveau aus gar nicht steigen muss, damit die Goldminenbetreiber Geld verdienen und Mehrwert schaffen.

Können die Kurse der Goldminenaktien steigen, auch wenn der Goldpreis stagniert?

Lequime: Tatsächlich gab es solche Phasen in der Vergangenheit. In den 1980er Jahren gelang es einem damals sehr bekannten Gold-Fonds trotz eines rückläufigen Goldpreises ein deutliches Plus zu erwirtschaften. Allerdings muss man dabei bedenken, dass es für die großen Konzerne in der Regel nicht so einfach ist, in Phasen eines stagnierenden oder fallenden Edelmetallpreises Mehrwert zu schaffen. Dies gelingt eher kleineren und mittelgroßen Firmen und den Explorationsunternehmen, die ein stärkeres Aufwärtspotenzial haben.

Wo sehen Sie Risiken?

Lequime: Wir haben einmal das Problem der abnehmenden Erzgehalte bei gleichzeitig durch die Inflation steigenden Kosten. Das heißt, es braucht mehr Kapital. Dazu kommen höhere Lohnkosten und geopolitische Unsicherheitsfaktoren. Gerade in Mittel- und Südamerika sehen wir mehr staatliche Eingriffe in den Bergbau, aber auch in anderen Regionen steigen beispielsweise die Umweltauflagen, weshalb es länger dauert, bis Projekte genehmigt sind. All das stellt ein Risiko für die Unternehmen dar. Interessant ist aber, dass der Goldpreis nie lange unter die durchschnittlichen Produktionskosten fallen kann, da dann das Angebot knapper wird. Deshalb ist ein deutlicher und länger anhaltender Einbruch des Goldpreises unter die durchschnittlichen Produktionskosten unrealistisch.