Lithium und Seltene Erden: Langfristig attraktiv, kurzfristig überhitzt

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Earth Resource Investments
by Gerd Huebner

Die Wachstumsaussichten für Lithium und Seltene Erden sind vor dem Hintergrund der Energiewende bestens. Doch hat deren jüngste Preisentwicklung viel vorweggenommen. Aktuell sollten Investoren bei diesen Rohstoffgruppen deshalb vorsichtig sein.

Es ist nicht mehr nur der Klimawandel, der eine Wende in der Energiepolitik Deutschlands und in ganz Europa notwendig macht. Auch der Einmarsch Russlands in der Ukraine hat uns nochmals deutlich vor Augen geführt, wie dringend wir uns von fossilen Energieträgern und deren Import unabhängig machen müssen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität wird immer mehr zu einer vorrangigen Aufgabe der Politik. Allerdings geht damit auch ein enormer Bedarf an kritischen Rohstoffen einher, wie die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem World Energy Outlook von 2021 feststellt.

Für eine Onshore-Windkraftanlage werden neunmal mehr Mineralien benötigt wie für eine gasbefeuerte Anlage. Ein typisches Elektroauto braucht sechsmal so viele Mineralien wie ein herkömmliches Fahrzeug. Dabei wird zum Beispiel die Nachfrage nach E-Autos in den kommenden Jahren stark zunehmen. So wurden im vergangenen Jahr bereits sechs Millionen Elektrofahrzeuge produziert und im Jahr 2030 sollen laut IEA rund 245 Millionen Elektroautos und Plug-in-Hybride weltweit auf den Straßen unterwegs sein – das entspräche einem jährlichen Wachstum von 36 Prozent.

Massiver Preisanstieg bei Lithium und seltenen Erden

Von all dem sollen auch Lithium und seltene Erden profitieren. „Die Energiewende, Elektrofahrzeuge und auch die Digitalisierung sind wesentliche Treiber hinter der wachsende Nachfrage nach diesen Rohstoffen“, erklärt Fabian Erismann, Geologe und Rohstoffanalyst bei der Earth Resource Investment Group (ERIG). Und zuletzt sind deren Preise förmlich durch die Decke gegangen. Kostete eine Tonne Lithiumkarbonat im Januar 2021 noch 6.750 US-Dollar, so waren es im April 2022 rund 74.270 US-Dollar – mehr als zehnmal. Der Preis für Neodym, ein Element der Seltenen Erden, kletterte seit Mitte 2020 um 250 Prozent.

Und das erklärt sich eben auch mit deren Rolle in der Energiewende. So kommt Neodym in Permanentmagneten, die ein wesentlicher Teil moderner Elektromotoren sind, zum Einsatz, Lithium ist ein wichtiger Bestandteil der Batterietechnologie in Elektroautos. „Es ist deshalb schon davon auszugehen, dass die Nachfrage nach diesen Metallen steigen wird“, sagt Erismann, warnt aber zugleich, dass „Anleger die Besonderheiten dieser Märkte sehr genau kennen sollten, bevor sie auf Unternehmen aus diesen Bereichen setzen.“

So verweist er darauf, dass der massive Preisanstieg nicht allein auf eine steigende Nachfrage zurückzuführen ist. „Sie müssen bedenken, dass sowohl der Lithium-Markt als auch der Markt für Seltene Erden sehr klein ist und eine starke Schwankungsanfälligkeit aufweist.“ Zuletzt wurde diese zum Beispiel auch durch die Lieferkettenprobleme, die auch die Versorgung mit diesen Metallen betrafen, ausgelöst.

Elastisches Angebot

Außerdem weist er auf die Preissetzungsmacht Chinas hin. „Dort findet 80 bis 90 Prozent der Wertschöpfung statt, womit das Land einen enormen Einfluss auf die Preisbildung sowohl bei Lithium als auch bei seltenen Erden hat“, erklärt der Analyst. Dazu kommt ein sehr elastisches Angebot. „Steigt der Preis, kann sehr schnell mehr produziert werden, weshalb wir jetzt nach der Preisexplosion auch schon wieder eine Gegenbewegung sehen.“ Dass Lithium und seltene Erden ihren Preisanstieg vom aktuellen Niveau fortsetzen werden, glaubt der Experte deshalb auch nicht. „Meiner Ansicht nach ist der Markt aktuell überhitzt und er wird für uns erst wieder interessant, wenn wir eine Beruhigung bei den Preisen sehen.“

Wer dennoch investieren möchte, sollte sich allerdings auch bei den Metallen selbst auskennen. „So sollte man wissen, dass es Lithiumhydroxide und -karbonate gibt, und dass sich Lithiumhydroxide, da sich diese, wenn künftig mehr Nickel in den Batterien zum Einsatz kommt, besser eignen“, sagt er. „Damit haben Hydroxide und Spodumene, eine weitere Erz-Form von Lithium aus der Lithiumhydroxid gewonnen wird, die besseren Wachstumsaussichten.“ Aber auch der Markt der seltenen Erden ist komplex. Insgesamt gehören dazu 17 verschiedene Metalle, wobei zwischen leichten und schweren seltenen Erden unterschieden wird.

Explorationsfirmen im Fokus

„Wir fokussieren uns auf die leichte Variante, die den überwiegenden Teil des Marktes ausmachen“, erklärt Erismann. „Und wir konzentrieren uns auf Explorationsfirmen, bei denen das Potenzial der Lagerstätte oft noch nicht im Kurs enthalten ist.“ Um das allerdings wirklich einschätzen zu können, reicht es nicht, die Zahlen und Berichte eines Unternehmens zu lesen. Ein Kernpunkt bei ERIG ist es deshalb, sich die Lagerstätten vor Ort sehr genau anzuschauen. Dabei geht es unter anderem um deren Wirtschaftlichkeit, die Kostenstruktur oder Nachhaltigkeitskriterien. „Auch finden sich in den Lagerstätten von seltenen Erden oftmals radioaktive Elemente, da seltene Erden, Uran und Thorium ähnliche ionische Radien haben. Dies kann bei der Bewilligung des Abbaus zu Schwierigkeiten führen“, erklärt der Experte.

Auf diese Weise haben Erismann und seine Kollegen in den vergangenen Jahren immer wieder interessante Explorationsfirmen aus den Bereichen Lithium und seltene Erden gefunden. Doch angesichts der rasant gestiegenen Preise sind sie derzeit dort nicht mehr engagiert. „Tatsächlich gehen wir derzeit eher von einer Marktberuhigung mit sinkenden Preisen aus, weshalb die Risiken die Chancen überwiegen“, so sein Fazit. Für spannender hält er derzeit den Kupfer-, Nickel- oder Zinkmarkt. „Sie alle sind ebenfalls Profiteure der Energiewende, doch sind die Märkte größer und weniger volatil und dort finden sich derzeit sehr attraktive Unternehmen.“